Faustballtradition nördlich der deutsch-dänischen Grenze
Faustball hatte im südlichsten Festlandteil Dänemarks, der auch Nordschleswig auf Deutsch bzw. Sønderjylland auf Dänisch genannt wird, eine jahrzehntelange Tradition. Diese Tradition wurde insbesondere durch die deutsche Minderheit in Nordschleswig aktiv gepflegt.

Als Nordschleswig (dänisch: Nordslesvig oder Sønderjylland) wird der seit 1920 zum Königreich Dänemark gehörende Teil des ehemaligen Herzogtums Schleswig bezeichnet.
Die deutsche Minderheit in Nordschleswig besteht seit der Volksabstimmung zur Grenzziehung im Jahre 1920 und umfasst heute etwa 15.000 Mitglieder aus einer Gesamtbevölkerung von 250.000 in Nordschleswig. Die deutsche Volksgruppe unterhält eigene Kindergärten, Schulen und Büchereien, betreibt kirchliche und soziale Arbeit, gibt eine eigene Tageszeitung heraus und bietet in vielen Vereinen sportliche und kulturelle Aktivitäten an. Die Volksgruppe wird vertreten durch den Bund Deutscher Nordschleswiger. Zum Selbstverständnis der deutschen Minderheit gehören die Pflege eines guten und vertrauensvollen Verhältnisses zur dänischen Mehrheitsbevölkerung und die Funktion als Brückenbauer zwischen Deutschen und Dänen.

WC 2007 – positive spirits at the end of the match, despite loss against Austria
WC 2007 – positive spirits at the end of the match, despite loss against Austria

Faustball genoss in den 50er Jahren einen hohen Stellenwert und wurde annähernd in jedem Dorf wie auch in den Sportvereinen der deutschen Minderheit aktiv betrieben.
„Es soll damals sogar auf größeren deutschen Höfen in Nordschleswig Faustball gespielt worden sein.“ (Günter Haagensen, nordschleswigscher Faustballenthusiast und –experte)
Ende der 60er Jahre war in Nordschleswig der Handball auf dem Vormarsch und verdrängte zunehmend den Faustballsport aus den Vereinen. Zum damaligen Zeitpunkt wurde versäumt, sich um die Nachwuchsarbeit zu kümmern. So kam es zu einer zwischenzeitlichen Dürrephase in Hinblick auf die Faustballaktivitäten. Zwar nahmen einige Vereine sporadisch an Turnieren in Schleswig-Holstein teil, jedoch war das Aktivitätsniveau nicht annähernd auf gleichem Level wie in den Nachkriegsjahren.
Im Mai 1987 erlebte der nordschleswigsche Faustballsport eine Renaissance. Unter anderem Günter Haagensen aus Tondern/Tønder und einzelne deutsche Vereine waren an dieser Wiederbelebungsinitiative beteiligt, die von Vereinen aus Nordfriesland/Deutschland (insbesondere der TSV Rot-Weiß Niebüll) unterstützt wurde. So konnten ab 1988 zum ersten Mal seit langem wieder Nordschleswig-Meisterschaften sowie Turniere bei den beiden großen Sommersportfesten der Minderheit – dem Pfingstturnier und dem Knivsbergfest – durchgeführt werden. Auch wurde von 1988 bis 2007 am Ligabetrieb in Schleswig-Holstein (Winter- und Sommerpunktrunde) teilgenommen.
Die Entwicklung des Faustballsports in Dänemark wurde oftmals von Einzelpersonen aus Nordschleswig (u.a. auch Hans Peter Asmussen) und aus Deutschland unterstützt und vorangetrieben. So sind der Trainer Uwe Jörck und der Herausgeber der Faustballzeitschrift „Faustball-Sport“ Heino Kreye (beide leider verstorben) insbesondere zu erwähnen. Letztgenannter war maßgeblich daran beteiligt, die deutschen Nordschleswiger dazu zu animieren für Dänemark an der WM 1990 in Österreich teilzunehmen, was dann auch umgesetzt wurde. Es folgten Weltmeisterschaft mit nordschleswigsch-dänischer Beteiligung 1992, 1995, 1999, 2003 und ein letztes Mal 2007. In der letzten Phase war der deutsche Trainer Olaf Neuenfeld maßgeblich an der Qualitätssteigerung des Teams beteiligt.
Doch wie Ende der 60er war nach 2007 auch mehr oder weniger Schluss. Die Gründe waren wieder gleichen: Es wurde verpasst die Nachwuchsarbeit erfolgreich zu gestalten und so kam es wieder zu einem Dornröschenschlaf.

WC 2007 – the Danish national team from North Schleswig
WC 2007 – the Danish national team from North Schleswig

Der erneute Neuanfang
Wie überall verändert sich auch in Nordschleswig das Sportinteresse – insbesondere bei jungen Leuten. Individueller Freizeitsport macht es traditionellen Mannschaftssportarten schwer. Dies ist kein Grund zum Jammern, sondern zum Handeln. In Nordschleswig ist diese Freizeit- und Sporttendenz natürlich auch zu spüren, so dass sogar der Sport Nummer 1, Handball, auch unter Druck steht. Die deutsche Minderheit hat daher – neben den Sportaktivitäten in den angeschlossenen Vereinen – ein neues Konzept ins Leben gerufen: das Team Nordschleswig – Æ Mannschaft.
Das Team Nordschleswig – Æ Mannschaft hat sich seit 2016 von einer reinen Fußballauswahl der deutschen Minderheit in Dänemark zu einer Erfolgsgeschichte entwickelt. Während und nach der EUROPEADA 2016 (Minderheitenfußball-EM), die sportlich kein Erfolg war, merkte man, dass das Konzept „Æ Mannschaft“ die Minderheitenidentität stärkt und Begeisterung für die deutsche Volksgruppe in Dänemark schafft. Diese Begeisterung soll weiter gefördert werden, indem das Konzept auf drei Sparten ausgebaut wird: Fußball, Handball und Faustball. Für jede Sparte gibt es unterschiedliche strukturelle Strategien und sportliche Ziele. Träger des Team Nordschleswig – Æ Mannschaft sind der Bund Deutscher Nordschleswiger (Dachverband der deutschen Minderheit – www.bdn.dk) und der Deutsche Jugendverband für Nordschleswig (Sport- und Freizeitverband der deutschen Minderheit – www.djfn.dk).
In der Faustball-Sparte ist es in erster Linie das Ziel ein Herrenteam mit dem erklärten Ziel nachhaltig aufzubauen, innerhalb weniger Jahre an internationalen Meisterschaften für Dänemark teilzunehmen.
„Das Team Nordschleswig – Æ Mannschaft möchte den Faustballsport in Dänemark aus seinem Dornröschenschlaf wachküssen. Und zwar diesmal durchdacht und nachhaltig.“ (Team Nordschleswig – Æ Mannschaft)
Im Gegensatz zu früheren Faustballinitiativen steht nun ein sportliches und strukturelles Label hinter dem Vorhaben. Ein Label, das vom Dachverband sowie vom Sportverband der deutschen Minderheit getragen und gefördert wird. Diese Förderung besteht aus sportlicher, struktureller und vermarktungstechnischer Unterstützung. So sind u.a. hauptamtliche Mitarbeiter mit dem Aufbau beschäftigt. Dies ist ein großer Vorteil gegenüber früheren Wiederbelebungsversuchen, da es nun nicht an ehrenamtlichen Einzelpersonen abhängt, sondern von einem stabilen Fundament getragen wird.
Dennoch ist auch das Konstrukt Team Nordschleswig – Æ Mannschaft von ehrenamtlichen Faustballenthusiasten abhängig, denn das Wissen und die Erfahrung rund um diesen Sport wird für einen nachhaltigen Neuaufbau benötigt.
Daher trafen sich vor ein paar die beiden nordschleswigschen Ex-Nationalspieler Kurt Asmussen und Günter Haagensen mit drei Vertretern des Team Nordschleswig, um die Möglichkeiten eines Neuaufbaus zu sondieren. Man einigte auf folgende Punkte:
– Zunächst Aufbau eines Herrenteams (hauptsächlich bestehend aus Mitgliedern der deutschen Minderheit in Dänemark)
– Inhaltliche Unterstützung von Seiten Asmussens und Haagensens – u.a. Vermittlung eines Trainers
– Ein erstes Trainingstreffen, Bildungsstätte Knivsberg/DK, 8.-10.09.2017
– Teilnahme an internationalen Meisterschaften für Dänemark – Ziel: WM 2019 in Winterthur/CH
Die inhaltliche Unterstützung durch die beiden Ex-Nationalspieler ist bereits zum jetzigen Zeitpunkt als Erfolg anzusehen. So konnte Kurt Asmussen für das Trainingswochenende im September den deutschen Trainer Roland Schubert aus Berlin für unser Projekt begeistern konnte. Ob eine feste Zusammenarbeit etabliert werden kann, wird man nach dem ersten Treffen sehen.
„Er (Roland Schubert, red.) wird sich alles ansehen und danach entscheiden inwieweit es weiter gehen soll.“ (Kurt Asmussen)

WC 2007 – Kurt Asmussen in form
WC 2007 – Kurt Asmussen in form

Das Team Nordschleswig – Æ Mannschaft ist ein schweres Erbe angetreten und weiß um die Erwartungen, die an diesen Neuaufbau gestellt werden. Diese Erwartungshaltung haben wir zu erfüllen, um Nordschleswig und Dänemark wieder auf der internationalen Faustballkarte sichtbar zu machen.

Verfasser: Uffe Iwersen, Team Nordschleswig – Æ Mannschaft

www.nordschleswig.dk/TeamNordschleswig
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